Jahrzehntelang hatte das, was von der wunderbar andersartigen, ostdeutschen Kulturzeitschrift Das Magazin aus der Zeit vor 1990 noch übrig geblieben war, in Kellern, Dachböden und Abstellzimmern gelegen. Weil es den häufig wechselnden Verlagshäusern, die seit dem Fall der Mauer für das Heft gekämpft hatten, natürlich wichtiger war das Dasein in der Gegenwart und Zukunft sicherzustellen. Und so wanderte das irre kleine DDR-Archiv, zuletzt bestehend aus zwei Umzugskartons, einer Plastikwanne und einem Aktenschrank, von einem Besitzer zum nächsten und wurde ungeöffnet stehen gelassen. In der Hoffnung auf freie Stunden. Wie das so ist.
Kirsten Hermann, die mit dem jüngsten Das-Magazin-Herausgeber, Till Kaposty-Bliss, die selbe Straße teilt, hat das Übriggebliebene in diesem Winter endlich durchforstet und neben mit Schreibmaschine verfassten Honorar-Karteikarten echte Schätze in Schwarz-Weiß gefunden. Wie Originalabzüge einer Tanzserie von Harald Hauswald, dem Mitbegründer der Berliner Fotoagentur Ostkreuz und wichtigsten Chronisten des Alltags in der DDR. Damals wurden noch richtige Abzüge analoger Aufnahmen bei Magazinen eingereicht statt elektronischer Daten, wie heute üblich, die dann digitale Bilder formen sollen.
Kirsten Hermann, die mit dem jüngsten Das-Magazin-Herausgeber, Till Kaposty-Bliss, die selbe Straße teilt, hat das Übriggebliebene in diesem Winter endlich durchforstet und neben mit Schreibmaschine verfassten Honorar-Karteikarten echte Schätze in Schwarz-Weiß gefunden. Wie Originalabzüge einer Tanzserie von Harald Hauswald, dem Mitbegründer der Berliner Fotoagentur Ostkreuz und wichtigsten Chronisten des Alltags in der DDR. Damals wurden noch richtige Abzüge analoger Aufnahmen bei Magazinen eingereicht statt elektronischer Daten, wie heute üblich, die dann digitale Bilder formen sollen.
Die 21 Vintage-Prints umfassende Serie wird ab dem 28.04.2015 in der Galerie für Moderne Fotografie zu sehen sein. Sie wurde zwischen 1980 und 1989 mit einer Canon A1 fotografiert und erzählt von durchtanzten Nächten in Ost-Berliner Szene-Läden, wie dem Prater oder dem Frannz Klub, von Jahresfesten an der Ostsee, „Dorfbums“, wie Hauswald es nennt – also Fasching in Großhennersdorf, Punkkonzerten in Karl-Marx-Stadt, Jazzfestivals in Woltersdorf und Ausstellungseröffnungen in Prenzlauer Berg. Sie erzählt auch von der Lebensfreude des Fotografen und seiner Protagonisten, die es – trotz der ständigen Restriktionen und Überwachungen, die das DDR-System vor allem Hauswalds Leben auferlegte – gab und unbedingt geben musste.
Noch heute muss Hauswald beim Betrachten der Bilder wahnsinnig schmunzeln. Über dieses absurd-lustige Getanze im Palast der Republik und die noch absurdere Geste der Frauen: Sie legten ihre Handtaschen einfach in der Mitte der Tanzfläche ab. Darüber wie der „Kulturchef der SED-Leitung“ der voluminösen Operndiva unverhohlen in den Ausschnitt schielte und wie der Fotograf Christian Thiel mit Ulrike Plenzdorf – seine Hand an ihrem Po – scheinbar ungestört durch seine erste Ausstellung im Prenzlauer Berg tanzte. Hierher, nach Prenzlauer Berg, war Hauswald 1972 nach seiner Ausbildung zum Fotografen in Radebeul gezogen und hatte als Telegrammbote, Heizer, Restaurator, Fotolaborant und als Fotograf in der Stephanus-Stiftung sein Geld verdient.
Noch heute muss Hauswald beim Betrachten der Bilder wahnsinnig schmunzeln. Über dieses absurd-lustige Getanze im Palast der Republik und die noch absurdere Geste der Frauen: Sie legten ihre Handtaschen einfach in der Mitte der Tanzfläche ab. Darüber wie der „Kulturchef der SED-Leitung“ der voluminösen Operndiva unverhohlen in den Ausschnitt schielte und wie der Fotograf Christian Thiel mit Ulrike Plenzdorf – seine Hand an ihrem Po – scheinbar ungestört durch seine erste Ausstellung im Prenzlauer Berg tanzte. Hierher, nach Prenzlauer Berg, war Hauswald 1972 nach seiner Ausbildung zum Fotografen in Radebeul gezogen und hatte als Telegrammbote, Heizer, Restaurator, Fotolaborant und als Fotograf in der Stephanus-Stiftung sein Geld verdient.
Tanzen als Befreiungsakt könnte über all dem stehen. Denn die Fotoserie, die Hauswald über die Jahre ganz bewusst anfertigte, markierte auch den „offiziellen“ Beginn seiner Karriere. Weil es eben jene Serie von Tanzenden war, die ihm im September 1989, zwei Monate vor dem Fall der Mauer, die Aufnahme in den Verband Bildender Künstler in der DDR ermöglichte und ihn endlich von seinem Druckverbot befreite. Hauswald hatte seine Bilder immer wieder an Westmedien verkauft, wie die Taz, das Zeitmagazin oder Geo, mit der Folge anschließend anonym arbeiten zu müssen.
„Ich wollte halt frei sein, machen was ich wollte“, sagt Hauswald rückblickend. Ganz pragmatisch, ohne bitteren Beigeschmack, weil man diesem sensibel wachsamem Mann (geboren 1954) bis heute anmerkt, wie sehr er das Leben und seinen Beruf liebt. Die Liebe war immer größer als irgendein System. Deswegen sagen seine Bilder, sowohl die Tanzserie als auch alle anderen immer ganz laut „Ja“ zu unserem Dasein mit all den Kleinig- und Nebensächlichkeiten, dem einfach-bizarren Alltag und seinen Ausflüchten.
1997 erhielt Hauswald das Bundesverdienstkreuz und 2006 den Einheitspreis der Bundeszentrale für politische Bildung. 2013 ist im Lehmstedt Verlag sein zehntes Buch erschienen, es trägt den Titel Vor Zeiten: Alltag im Osten. Fotografien 1976–1990. Text: Carolin Würfel
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„Ich wollte halt frei sein, machen was ich wollte“, sagt Hauswald rückblickend. Ganz pragmatisch, ohne bitteren Beigeschmack, weil man diesem sensibel wachsamem Mann (geboren 1954) bis heute anmerkt, wie sehr er das Leben und seinen Beruf liebt. Die Liebe war immer größer als irgendein System. Deswegen sagen seine Bilder, sowohl die Tanzserie als auch alle anderen immer ganz laut „Ja“ zu unserem Dasein mit all den Kleinig- und Nebensächlichkeiten, dem einfach-bizarren Alltag und seinen Ausflüchten.
1997 erhielt Hauswald das Bundesverdienstkreuz und 2006 den Einheitspreis der Bundeszentrale für politische Bildung. 2013 ist im Lehmstedt Verlag sein zehntes Buch erschienen, es trägt den Titel Vor Zeiten: Alltag im Osten. Fotografien 1976–1990. Text: Carolin Würfel
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