Hat es eigentlich jemals geregnet an einem 1. Mai in der DDR? Im Fernsehen war die Sonne über der Karl‐Marx‐Allee Jahr für Jahr wie festgeschraubt. Ute Mahler ließen die Gesichter der über den Bildschirm defilierenden Menschen nicht los. Wie glücklich die alle wirkten, jubelnd, singend und Fahnen schwenkend. Was würde passieren, wenn man den Film einmal anhielte? Die Karl‐Marx‐Allee war gleichzeitig Aushängeschild und Seismograph der DDR. Hier demonstrierte sie ihre gesammelte Stärke und Baukunst, hier wurden ideologische Richtungswechsel architektonisch markiert.
Aus Weltkriegsschutt und Meissner Keramik hatte die Regierung zunächst unter dem Namen Stalinallee die „erste sozialistische Straße Deutschlands“ gebaut, schnurgerade und breiter als die Champs –Elysées.
Sie verband Alexanderplatz, Strausberger Platz und das Frankfurter Tor. Seit 1977 fand hier die jährliche Parade zum Tag der Arbeit statt. Am 1. Mai 1980 stellte sich Ute Mahler vier Stunden lang an die Tribüne, direkt unter Egon Krenz und Margot Honecker. Soldaten zogen vorbei, singende Jungpioniere, Fahnenträger und Familien. Und als sie nach Hause ging, dachte sie, die sind ja wirklich alle glücklich. Dann entwickelte sie die Bilder. Fotografie macht Dinge sichtbar, die verloren gehen in der Bewegung, wenn sich Licht und Ton, Menschen und Dinge zusammen ziehen.
Ute Mahlers angehaltener Film demontiert die Inszenierung.
Auf den Momentaufnahmen vom 1. Mai sieht man der DDR direkt in die Augen.
Die herangezoomten Blicke der Menschen drücken Stolz und Überzeugung aus, aber auch
Ernüchterung und Leere, Furcht und Sehnsucht.
Hier ist die ganze Bandbreite der Emotionen abgebildet, die das Leben in der späten DDR bestimmten.
Aus Weltkriegsschutt und Meissner Keramik hatte die Regierung zunächst unter dem Namen Stalinallee die „erste sozialistische Straße Deutschlands“ gebaut, schnurgerade und breiter als die Champs –Elysées.
Sie verband Alexanderplatz, Strausberger Platz und das Frankfurter Tor. Seit 1977 fand hier die jährliche Parade zum Tag der Arbeit statt. Am 1. Mai 1980 stellte sich Ute Mahler vier Stunden lang an die Tribüne, direkt unter Egon Krenz und Margot Honecker. Soldaten zogen vorbei, singende Jungpioniere, Fahnenträger und Familien. Und als sie nach Hause ging, dachte sie, die sind ja wirklich alle glücklich. Dann entwickelte sie die Bilder. Fotografie macht Dinge sichtbar, die verloren gehen in der Bewegung, wenn sich Licht und Ton, Menschen und Dinge zusammen ziehen.
Ute Mahlers angehaltener Film demontiert die Inszenierung.
Auf den Momentaufnahmen vom 1. Mai sieht man der DDR direkt in die Augen.
Die herangezoomten Blicke der Menschen drücken Stolz und Überzeugung aus, aber auch
Ernüchterung und Leere, Furcht und Sehnsucht.
Hier ist die ganze Bandbreite der Emotionen abgebildet, die das Leben in der späten DDR bestimmten.
Dass ihr Vater auch in der Straße fotografiert hat, hatte Ute Mahler nicht gewusst. Erst zwei
Jahrzehnte nach ihrem Tag an der Tribüne fand sie die nun vierzig Jahre alten Negative.
Vielleicht ist die Karl‐Marx‐Allee der einzige Ort, den beide, Vater und Tochter, auf ihre Art
festgehalten haben.
Ludwig Schirmer war Werbefotograf gewesen, kein Journalist. Warum hat er sich für diese
Straße interessiert? Das bleibt irgendwie rätselhaft.
Auf seinen Bildern ist die Karl‐Marx‐Allee noch ein wenig Niemandsland, aber ein Niemandsland im Aufbruch. Kinder stehen auf der Straße und schauen schaufelnden Männern zu, weite Sichtfluchten tun sich hinter dem Asphalt auf, zwischen Beeten und Baukränen kniet eine Mutter.
Es sind die frühen Sechziger, die Zeit von Entstalinisierung und Mauerbau. Die Straße wandelt sich wieder einmal parallel zur Entwicklung des Landes. Stalin stürzt vom Sockel seines Denkmals , sein Name verschwindet aus den Schildern der Straße, deren westlicher Teil nun Karl‐Marx‐Allee heißt. Der Zuckerbäckerstil des sozialistischen Klassizismus mit seinen „Arbeiterpalästen“ weicht den schlichten Plattenbauten der Moderne, dem Café Moskau, dem Kino International oder dem Kosmetiksalon Babette. Ludwig Schirmers Bilder halten die Zeit fest, als die Karl‐Marx‐Allee sich zu dem Ort entwickelt, der sie auf Ute Mahlers Bildern sein wird. Gemeinsam betrachtet, zeigen die Serien aber auch, wie sehr sich die DDR in 20 Jahren verändert hat.
Jahrzehnte nach ihrem Tag an der Tribüne fand sie die nun vierzig Jahre alten Negative.
Vielleicht ist die Karl‐Marx‐Allee der einzige Ort, den beide, Vater und Tochter, auf ihre Art
festgehalten haben.
Ludwig Schirmer war Werbefotograf gewesen, kein Journalist. Warum hat er sich für diese
Straße interessiert? Das bleibt irgendwie rätselhaft.
Auf seinen Bildern ist die Karl‐Marx‐Allee noch ein wenig Niemandsland, aber ein Niemandsland im Aufbruch. Kinder stehen auf der Straße und schauen schaufelnden Männern zu, weite Sichtfluchten tun sich hinter dem Asphalt auf, zwischen Beeten und Baukränen kniet eine Mutter.
Es sind die frühen Sechziger, die Zeit von Entstalinisierung und Mauerbau. Die Straße wandelt sich wieder einmal parallel zur Entwicklung des Landes. Stalin stürzt vom Sockel seines Denkmals , sein Name verschwindet aus den Schildern der Straße, deren westlicher Teil nun Karl‐Marx‐Allee heißt. Der Zuckerbäckerstil des sozialistischen Klassizismus mit seinen „Arbeiterpalästen“ weicht den schlichten Plattenbauten der Moderne, dem Café Moskau, dem Kino International oder dem Kosmetiksalon Babette. Ludwig Schirmers Bilder halten die Zeit fest, als die Karl‐Marx‐Allee sich zu dem Ort entwickelt, der sie auf Ute Mahlers Bildern sein wird. Gemeinsam betrachtet, zeigen die Serien aber auch, wie sehr sich die DDR in 20 Jahren verändert hat.
Auch bei Ludwig Schirmer gibt es schon hohen Staatsbesuch und geschwenkte Fahnen auf der Karl‐Marx‐Allee. Walter Ulbricht rollt auf einer Luxuskarosse neben am Straßenrand stehenden Menschen.
Damals zog die Regierung also noch am Volk vorbei. 20 Jahre später zieht das Volk an der
Regierung vorbei. Sie sieht ihm dabei von einer sonnigen Tribüne aus zu, hoch über den
Menschen auf der Karl‐Marx‐Allee und einer jungen blonden Frau mit Kamera.
Text: Anna‐Christina Hartmann
Damals zog die Regierung also noch am Volk vorbei. 20 Jahre später zieht das Volk an der
Regierung vorbei. Sie sieht ihm dabei von einer sonnigen Tribüne aus zu, hoch über den
Menschen auf der Karl‐Marx‐Allee und einer jungen blonden Frau mit Kamera.
Text: Anna‐Christina Hartmann